Donnerstag, 28. Juli 2011

Der Gutmensch - Besetzung eines Begriffs

Es gibt rhetorische Keulen, die sich prima dazu eignen eine Diskussion zu beenden. Dazu gehört die Vermutung ein Frauenfeind zu sein, oder ein Antisemit, oder ... .

Sobald dieser Verdacht ausgesprochen wurde, klebt am Gegenüber ein Stigma, das sich während der Diskussion kaum noch abstreifen lässt, ein weitere Gespräch nahezu unmöglich macht. 

In den letzten Wochen wurde eine weitere dieser Keulen dem verbalen Waffenschrank hinzugefügt: "Gutmensch!"

Gutmenschen sind realitätsfremd, bigott und unerträglich belehrend. 

Sie wollen nicht einsehen, dass die Welt durch Geld regiert wird, dass Moral und Werte lästig sind und ein Leben nach ihnen ein unsinniger, unumsetzbarer Traum.

Schlimmer noch: Gutmenschen sind schädlich! Sie vernichten deutsche Arbeitsplätze, treiben durch Atomkraftverzicht die Nation in die industrielle Dunkelheit und wollen das Rauchen am liebsten komplett verbieten.

Dazu die Bigotterie: Gutmenschen  können sich Ökoessen leisten und Fairtrade-Produkte - sie sind also geldig. Und dennoch nutzen Sie Flugzeuge oder fahren eigene Autos. Entweder - oder! Oder?

Kurz: Gutmenschen sind widerlich!

Ich bin bekennender Gutmensch!

Mir fehlen moralische Werte und ein gemeinsames Bekenntnis zu diesen Werten in der Politik und der Gesellschaft - und mit Werten meine ich nicht die des Geldes.

Es ist wahr: Ich kann es mit LEISTEN ein Gutmensch zu sein. Ich habe genug zu essen, habe eine medizinische Versorgung und muss nicht jeden Heller umdrehen.

Aber gerade DESWEGEN eigne ich mich als Gutmensch.

Wer wenn nicht wir, die wir Zeit und Geld dafür haben, sollten unser Tun nach Werten ausrichten?

Es wäre doch geradezu zynisch, das von Menschen zu erwarten, die im Kampf ums tägliche Überleben stecken.

Es liegt ein wenig im deutschen Wesen, immer Perfektionismus zu erwarten. Das nehmen viele  Gutmenschen-Kritiker bereitwillig als Angriffsfläche. Halten dem einzelnen Gutmenschen seine Fehlbarkeit auf einem bestimmten Gebiet vor.

Doch was wollen Sie dadurch vermitteln? Dass egoistisches Handeln das einzig Wahrhaftige ist?

Das Streben nach Idealen und der Versuch Werte zu erfüllen und auf eine bessere Welt zu hoffen, das kann keinen Perfektionismus fordern.


Ich bin Gutmensch. Nicht Perfektmensch! 


Ich will wieder gute, moralische Werte, nach denen ich Leben kann. Ich will Mensch sein, will menschlich handeln und (auch) gutes Tun. 

Und daher werde ich in Zukunft strahlend nicken, wenn mich einer als Gutmensch tituliert.

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